Fast drei von vier jungen Unternehmerinnen, Unternehmern und Führungskräften empfinden die geplante Absenkung der Einkommensgrenze zum Elterngeld als falsch. Das ist das Ergebnis einer Befragung der Wirtschaftsjunioren Deutschland, an der sich über 1.500 Mitglieder des Verbandes beteiligt haben.

Die geplante neue Einkommensgrenze steht im Mittelpunkt einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses zum Elterngeld am Montag, den 9. Oktober 2023. Die Umfrage der Wirtschaftsjunioren ergab: 72 % der aktiven Mitglieder der Wirtschaftsjunioren unter 40 Jahren empfinden die geplante Absenkung der Einkommensgrenze zum Elterngeld als eher falsch oder eindeutig falsch. Unter den Fördermitgliedern über 40 Jahren ist das Stimmungsbild weniger eindeutig. Hier halten 44 % die geplante Absenkung für eher oder eindeutig richtig und 54 % für eher falsch oder eindeutig falsch. Fast alle aktiven Mitglieder stimmen der Aussage zu, dass der Staat Eltern in den ersten Monaten nach der Geburt unterstützen sollte (92 %). Auch unter den Fördermitgliedern wird dies von einer großen Mehrheit befürwortet (84 %).

Im Fokus steht die Änderung der Einkommensgrenze insbesondere aufgrund der Gleichberechtigung der Geschlechter. Eine überwältigende Mehrheit der weiblichen Mitglieder der WJ (93 %) stimmt der Aussage zu: „Für mich ist es wichtig, dass ich auch innerhalb einer Ehe oder Lebenspartnerschaft finanziell unabhängig von meinem Partner oder meiner Partnerin bleibe.“ Unter den männlichen Mitgliedern ist die Zustimmungsrate zu dieser Aussage geringer, wird aber ebenfalls von einer Mehrheit getragen (71 %).

Viele Unternehmerinnen und weibliche Führungskräfte sehen in der geplanten Änderung eine Gefahr für die Gleichberechtigung der Geschlechter, das zeigt auch ein Blick in die Kommentare der Befragten, die wir am Ende dieser Meldung zusammengestellt haben. Zugleich geht aus den persönlichen Perspektiven der jungen Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte hervor, dass der Verdienstausfall nur einen von vielen Unsicherheitsfaktoren in der Elternzeit bedeutet. Diejenigen, die trotz der Erwartung von Nachwuchs weiterarbeiten möchten, sind dazu häufig auch aufgrund des fehlenden Betreuungsplatzangebotes nicht in der Lage. Die geplante Absenkung der Einkommensgrenze wird auf diese Weise zu einem zusätzlichen Hemmschuh für die ohnehin erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland sagte im Vorlauf der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses im Bundestag:

„Vielen Mitgliedern der Wirtschaftsjunioren ist die geplante Absenkung der Einkommensgrenze zum Elterngeld zu undifferenziert. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Chancengleichheit von Männern und Frauen sind uns wichtig und finden in dem geplanten Gesetzesvorhaben zu wenig Berücksichtigung. Dabei geht es nicht um rein finanzielle Aspekte: Eine Mehrheit unserer Mitglieder hat sich im vergangenen Jahr trotz finanzieller Einbußen gegen das Ehegattensplitting ausgesprochen, das unserer Meinung nach ebenfalls eine Ungleichheit der Geschlechter befördert. Es ist ein positives Signal, dass neben der Ablehnung des Antrags vonseiten der CDU/CSU-Fraktion auch die SPD-Fraktion inzwischen mit dem 6+6+6-Modell eine differenziertere Weiterentwicklung des Elterngeldes vorgeschlagen hat.“

Ausgewählte Stimmen der Mitglieder zur Absenkung der Einkommensgrenze beim Elterngeld (anonyme Befragung)

„Als Unternehmerin ist man sowieso mit dem Ausfall im Unternehmen durch eine Schwangerschaft und danach vor sehr hohe Herausforderungen gestellt. Ob als fehlende Führungskraft im Unternehmen, Arbeitskraft, die wegfällt, oder auch finanziell. Es gibt hierfür keine Lösung in Deutschland für eine Unterstützung junger selbstständiger Frauen, die in die Familienplanung übergehen möchten. Wenn jetzt auch noch das Elterngeld wegfallen sollte, fehlt auch noch der finanzielle Part für junge Unternehmerinnen, für die ein solcher Ausfall sowieso schwierig ist.“

“Ich hatte bisher 150.000 €, aber als Alleinerziehende und Alleinverdienende rettet mich gerade das Elterngeld, weil ich zurzeit sehr wenig zum Arbeiten komme und deshalb weniger als 150.000 € habe.”

“4 % der aktuellen Elterngeldbezieher wären von der neuen Grenze betroffen. Vor dem Hintergrund, dass wenig flexible Posten im Bundeshaushalt vorhanden sind und gespart werden muss, scheint die neue Grenze eine Notwendigkeit.”

“Es geht hier nicht darum, ob Familien finanzierbar sind, sondern darum, dass die Gleichberechtigung des Ehepartners mit geringerem Einkommen auf dem Spiel steht, was heutzutage in Heteroehe fast immer die Frau betrifft.”

“Ich finde es schlimm, dass das anstatt der Kindergrundsicherung diskutiert wird. Ich glaube, Haushalten mit 150.000 Jahres­einkommen geht es schon mal nicht schlecht.”

“Wer sagt denn, dass der Mann der Hauptverdiener ist? […] Warum soll ich auf was verzichten, obwohl ich als Selbstständige für mein Geld deutlich härter arbeite und ein viel höheres Risiko eingehe.”

“Für mich war immer klar, dass nicht die Allgemeinheit, sondern die Eltern verantwortlich für ihre Kinder sind.”

Rahmendaten der Umfrage
Grundlage ist eine Online-Befragung unter Mitgliedern der Wirtschaftsjunioren Deutschland im Zeitraum: 13.07. – 20.07.2023. N = 1.539.
Dabei waren 68 % der Befragten männlich und 30 % weiblich. Bei 61 % handelte es sich um aktive Mitglieder unter 40 Jahren und bei 39 % um Fördermitglieder über 40 Jahren. Zudem haben 31 % der Befragten ein Haushaltsnettoeinkommen von über 150.000 Euro und 61 % von unter 150.000 Euro, während 8 % dazu keine Aussage treffen wollten.

Über die Wirtschaftsjunioren Deutschland
Die Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) bilden mit rund 10.000 Mitgliedern aus allen Bereichen der Wirtschaft den größten deutschen Verband für Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte unter 40 Jahren. Bei einer Wirtschaftskraft von mehr als 290 Mrd. Euro Umsatz verantworten sie rund 1,2 Millionen Arbeits- und 35.000 Ausbildungsplätze. Die WJD sind global vernetzt und als größtes Netzwerk junger Wirtschaft in Deutschland mit rund 215 Mitgliedskreisen vor Ort präsent. Wer bei uns mitmacht, engagiert sich im Beruf und will darüber hinaus auch etwas bewegen.